Streit um Gemälde reisst nicht ab

Weil es das Patriarchat und das Rauchen verherrlichte, entfernten Professoren der Universität Leiden kurzerhand das umstrittene Bild. Die Kommission muss nun prüfen, wie sie vorgehen soll.

Bild von Rein Dool.

Bild von Rein Dool.

Universität Leiden

Es ist eine Szene, die ältere Menschen an längst vergangene Zeiten erinnert, für jüngere jedoch wie aus einem 70er-Jahre-Film: Sechs Männer mit Geheimratsecken sitzen um einen Konferenztisch und rauchen Zigarren. Sie tragen Anzug und Krawatte, ihre Gesichter sind ernst. Es ist nicht klar, wovon sie sprechen. Allerdings ist es diese Szene an der holländischen Universität Leiden, die seit Wochen für Aufregung sorgt.

Der Maler Rein Dool nahm sie 1976 auf. Ein im Sitzungssaal hängendes Bild zeigt die damalige Hochschulleitung bei der Arbeit. Also nichts Außergewöhnliches – einige Professoren und Studenten störte es immer noch. Denn das Bild deckt Rauchen und Patriarchat ab.

Die Professoren hängen das Bild kurzerhand auf

Im November fragte ein Doktorand der Politikwissenschaften auf Twitter, ob nicht wenigstens eine “ironische oder selbstironische” Erklärung hinzugefügt werden könne. Der Dekan der juristischen Fakultät forderte daraufhin die Entfernung des Bildes. Sie sei lange genug in Räumen mit Männern und Männerbildern gewesen: “Und Rauchen hasse ich auch.” Zwei Tage später konnte sie die Fertigstellung melden, die Kollegen nahmen das Bild ab und stellten es verkehrt herum an die Wand.

Eine übereilte Aktion, die sofort Kritik auf sich zog. Mehrere Professoren aus Leiden distanzierten sich von ihren Kollegen. „Das fällt meiner Meinung nach in die Kategorie: gut gemeint, aber nicht durchdacht“, sagte ein TV-Dozent. Die Diskussion berücksichtigt nicht einmal, dass es sich auch um ein satirisches Bild handelt. „Und es gibt bessere Möglichkeiten zu zeigen, dass man vielfältig und integrativ sein möchte.“ Der frühere niederländische Außenminister und Leidener Professor Uri Rosenthal sprach von „Schande“ und beispielloser Dummheit „sogenannter intellektueller Professoren“.

Der Regisseur überlebte die Nazi-Besatzung

Denn der damalige Rektor, der ebenfalls auf dem Bild zu sehen ist, ist Dolf Cohen, ein Jude, der die Nazi-Besatzung im Versteck überlebte. Seine Söhne, darunter der ehemalige Chef der niederländischen Sozialdemokraten, Job Cohen, boten in einem offenen Brief an die Universitätsleitung an, den Zusammenhang des Bildes zu erläutern.

Die Universität, die das Bild zunächst für „nicht mehr relevant“ erklärte, ruderte bald zurück und sprach von einer nicht einvernehmlichen Aktion. Das Bild wird an seinem ursprünglichen Platz aufgehängt. Doch damit ist die Sache noch lange nicht abgeschlossen: Die Präsidentin der Hochschule, Annetje Ottow, kündigte eine Debatte über das Kunstwerk und die Bildung einer eigens dafür eingerichteten Kommission an, die Anfang Dezember ihre Arbeit aufgenommen hat.

Die Kommission sucht nach Lösungen

Diese soll nun überlegen, wie es weitergeht – auch in Bezug auf andere Kunstwerke an der Hochschule. „Diese Diskussion gehört hierher, und wir von der Universität Leiden, der Bastion der Freiheit, können sie führen wie kaum ein anderer“, sagt Ottow. „Spontanes Handeln bringt uns zum Nachdenken. Inklusion ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.»

In der Diskussion, auf die sich die Kommission bei ihrer Entscheidung stützen wird, soll natürlich der “historische Wert des Gemäldes” ebenso berücksichtigt werden wie die Wertschätzung der ehemaligen Vorstandsmitglieder. Sie seien „hochgeschätzte ehemalige Administratoren unserer Universität“ und das Bild zeigt einen einzigartigen, historischen Ausschnitt aus dieser Zeit. Auf diese im Bild sind wir sehr stolz.

Das eingerichtete Gremium soll im ersten Quartal 2023 einen ersten Vorschlag zur Lösung des Konflikts machen. Ein Teil davon könnte darin bestehen, dem Bild eine erklärende Tafel mit Kontext hinzuzufügen, sagte Ottow. Ein solcher Ansatz ist ein Kompromiss, der oft verwendet wird, um zu vermeiden, dass umstrittene Kunst entfernt wird.

Die Niederlande streiten über ihre Geschichte

Die Kontroverse um Leidens Image kommt zu einer Zeit, in der die Debatte über die Stornierungskultur in Bildungseinrichtungen auf der ganzen Welt tobt. Auch in den Niederlanden gibt es tiefe Gräben zwischen denen, die anstößige Kunst lieber verbieten wollen, und denen, die befürchten, dass ihre eigene Geschichte ausgelöscht wird. Das liegt vor allem an der eigenen Kolonialgeschichte.

Der mittlerweile 90-jährige Künstler selbst hält den Streit um seine Malerei für „spießig“. Er habe ein „Zeitbild“ gemalt, damals würden Männer in solchen Kommissionen sitzen und alle würden rauchen, auch er. “Ich habe ihnen einen Spiegel vorgehalten.”



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