
(Motorsport-Total.com) – Wenn das Hybridfahren nicht wäre, könnte man sich 15 Jahre zurückversetzt fühlen: Drei der vier LMDh-Autos debütieren an diesem Wochenende in der GTP-Klasse bei den 24 Stunden von Daytona sie haben großvolumige, teilweise aufgeladene V8-Motoren. Nur Acura ist in dieser Hinsicht ein kleiner Ausreißer.

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Die neue Generation LMDh kommt mit reichlich Hubraum – und das nachhaltig!
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Die Motoren der vier Hersteller:
Acura ARX-06: 2,4-Liter-V6 mit Turbolader
BMW M Hybrid V8: 4,0-Liter-V8 mit Turbolader
Cadillac V-LMDh: 5,5-Liter-V8-Saugmotor
Porsche 963: 4,6-Liter-V8 mit Turbolader
Woher kommt dieser scheinbare Rückschritt? Der Hauptgrund liegt in den Vorschriften. Aber auch aktuelle Trends in der Serienfertigung spielen eine Rolle. Und nicht zuletzt die Frage, was Nachhaltigkeit eigentlich bedeutet.
Kommen wir zum ersten und wichtigsten Punkt: Das Reglement favorisiert großvolumige Motoren mit flachem Drehmomentverlauf. Es galt das alte LMP1-Reglement: Der Hybrid zieht mit voller Kraft, egal was der Verbrenner macht. Im Hypercar/GTP-Reglement, ob LMH oder LMDh, gilt ein ganz anderes Prinzip.
Die Leistungskurve ist genau vorgegeben. Je mehr der Elektromotor arbeitet, desto stärker wird die Leistung des Verbrennungsmotors reduziert. Dies geschieht elektronisch. Das bedeutet aber, dass der Verbrennungsmotor im unteren Drehzahlbereich theoretisch in der Lage sein muss, selbst Leistung zu erzeugen. Großvolumige Aggregate können dies besser als kleine.
Auch haben kleine Motoren keinen Gewichtsvorteil mehr, weil das Gewicht auf 180 Kilogramm fixiert ist. Sie sollen eine Leistung von 707 PS aus eigener Kraft erzeugen können. Der Rest des Antriebsstrangs, einschließlich der Drehpunkte, ist einheitlich. Damit fügen sich die großen V8-Motoren am besten in das Gesamtkonzept des LMP2-Fahrwerks und der Standardkomponenten wie Getriebe und Hybridkomponenten (MGU) ein.
Warum der aktuellere DTM-Motor für BMW ausscheidet
Als die LMDh-Philosophie vor drei Jahren zum ersten Mal vorgestellt wurde, galt noch die Prämisse, dass die Einheit aus der Serie kommen muss. Diese Passage wurde inzwischen heimlich gelöscht. Dadurch war es beispielsweise BMW möglich, den alten DTM-V8-Motor (P66/1) als Basis für den M Hybrid V8 zu nehmen und mit einem Turbolader zu kombinieren.
„Wir wollten drei Dinge kombinieren: die DNA des Herstellers, was für das Reglement am besten geeignet war und was angesichts des engen Zeitplans realistisch erschien“, sagt Projektleiter Maurizio Leschiutta. Eine komplette Motorenneuentwicklung kam für BMW daher nicht infrage. „Da wir auf einem bestehenden Motor aufbauten, konnten wir Entwicklungszeit einsparen.“
„Wir haben uns für die V8-Biturbo-Architektur entschieden, die wir auch in unserem M8-Straßenauto verwenden. Wir wussten, dass wir für unseren Hubraum auf Turboaufladung setzen mussten. Das hat uns geholfen, die erforderliche Leistung zu erreichen.“
BMW Mbededed – Markteinführung des M Hybrid V8
Ulrich Schulz, Leiter Motoren BMW M Motorsport, ergänzt: „Wir haben den P48-Motor auch aus dem BMW M4 DTM übernommen [2,0-Liter-Turbo aus der Class 1] und der P63-Motor [4,4-Liter-V8-Turbo] gesehen vom BMW M8 GTE. Aber die möglichen Zuverlässigkeitsprobleme beim P48 und das hohe Gewicht des P63 sprachen dagegen.”
Beim Umbau des P66/1 zum P66/2, einem Versuchsmotor, und schließlich zum P66/3, dem finalen Rennmotor, kombinierte BMW sein Wissen aus der Formel-1-Ära und der Formel E. Auf diese Weise flossen Ressourcen aus drei verschiedenen Motorsportprogramme wurden zusammengeführt.
Auch Porsche nutzt die Regale
Urs Kuratle (Leiter Werksmotorsport LMDh bei Porsche) beantwortet die gleiche Frage: „Wir hatten eine ganze Reihe von Motoren, die möglich gewesen wären. Das hatten wir [2,0-Liter-V4] Ein Motor aus dem 919, der aber für dieses Reglement nicht gemacht war und zu teuer gewesen wäre.
Der Mini-Motor wurde konsequent auf Leichtbau und minimale Größe getrimmt. Es würde nicht in das LMDh-Paket passen und müsste künstlich schwerer gemacht werden. Stattdessen wurde der Motor aus dem 918 Spyder übernommen und mit einem Turbo ergänzt. BMW und Porsche gingen einen ähnlichen Weg.
Der Motor des Porsche 963 hat eine flache Kurbelwelle und ist auf einen sehr kurzen Hub ausgelegt“, erklärt Stefan Moser, Chef-Antriebsingenieur des Porsche 963. Aufgrund des relativ großen Hubraums müssen die Turbolader den Umgebungsdruck nur um 0,3 erhöhen Bar.
„Der Vorteil: Der Motor behält seine Grundcharakteristik als Saugmotor und reagiert sehr direkt auf die Befehle des Gaspedals. Der relativ geringe Ladedruck baut sich schnell auf und es gibt kein Turboloch.“ Beeindruckend: Im Porsche 918 Spyder ist der 9RD kein tragendes Bauteil. Mit ein paar zusätzlichen Verstärkungen kann er diese Aufgabe nun aber auch im 963 übernehmen.
Nachhaltigkeit in neuem Licht
Diese Beispiele zeigen, dass Nachhaltigkeit heute anders gesehen wird. Lange Zeit wurde der Begriff nur unter der Prämisse der Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs geprägt. Dies führte jedoch mit der Zeit zu immer teureren Aggregaten, teilweise aus exotischen Materialien, die immer komplexer wurden.
Mittlerweile ist das Einsparpotenzial so gering, dass es nicht mehr im Verhältnis zu den Kosten steht. Beispiel: Mit der LMP1-Generation aus dem Jahr 2014 wurde der Kraftstoffverbrauch bei den 24 Stunden von Le Mans im Vergleich zu 2013 um 30 Prozent gesenkt. Weitere 30 Prozent Rabatt sind jetzt ein Vielfaches wert.
Die Verwendung nachhaltiger Kraftstoffe hat jedoch das Thema Kraftstoffverbrauch in den Hintergrund gedrängt. Nachhaltigkeit wird mittlerweile ganzheitlich betrachtet: Ein robuster Motor, der vielleicht ein paar Prozent mehr verbraucht, aber nicht teuer entwickelt werden muss und keine exotischen Rohstoffe verwendet, sieht mit dem für die Umwelt unbedenklichen Treibstoff plötzlich sehr nachhaltig aus.
Effizient, aber nicht nachhaltig: Die LMP1-Ära ging an den Kosten verloren Zoomen
Ulrich Schulz (BMW): „Es ist ein großer Vorteil, dass wir auf vorhandene Materialien wie Stahl und Aluminium zurückgreifen konnten – sowohl für den Motorblock als auch für einzelne Komponenten wie Wellen, Gehäuse und andere Kleinteile. Dadurch haben wir viel Geld gespart.“ . Das ist nachhaltig und effizient.“
Diese ganzheitliche Art der Nachhaltigkeit wird auch im übrigen Reglement stärker berücksichtigt: Heute muss kein Autohersteller der Welt nachweisen, dass er aus einem gegebenen Hubraum zehn PS mehr herausholen kann als jeder andere. Das Wissen haben inzwischen sowieso alle Hersteller. Daher die vorgeschriebene Leistungskurve.
Zudem müssen die Hersteller nicht mehr beweisen, dass sie ein überlegenes Chassis bauen können. Ergo wurden Gleichteile in den 2010er Jahren immer häufiger, heute setzt man auf ein standardisiertes LMP2-Chassis. Und kein Auto bekommt mehr Custom-Reifen, die Tausende und Abertausende von Testkilometern mit Einwegreifen absolvieren. Standardbereifung ist angesagt.
V8-Sauger: The American Way
Downsizing ist auch in der Automobilindustrie kaum ein Thema. Spätestens mit der Einführung des WLTP-Zyklus verschwanden die Vorteile kleiner Turbomotoren. Die Vorteile, die diese Motoren im Teillastbereich haben, lassen sich im Motorsport ohnehin nicht ausspielen. Bei Volllast gilt das alte Prinzip: Turbo läuft, Turbo trinkt.
Womöglich wartet Cadillac auch mit einer Architektur auf, die noch vor wenigen Jahren kaum jemand für die 2020er-Jahre vermutet hätte: Ein 5,5-Liter-Crossplane-V8-Saugmotor wird in den kommenden Jahren die Herzen von Motorsport-Enthusiasten höher schlagen lassen. Auch das amerikanischste aller GTP-Autos ist dem Zeitdruck geschuldet.
„Wir hatten wie alle anderen nicht viel Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Wir haben uns stark auf unsere jahrzehntelange Erfahrung im Motorsport mit General Motors, insbesondere im Achtzylinder-Bereich, verlassen“, sagt GM-Motorsportdirektorin Laura Wontrop Klauser.
„Wir haben so schnell wie möglich Packaging-Studien für eine Vielzahl von Motoren durchgeführt. Dann haben wir uns die Leistungsanforderungen angesehen. Aufgrund unserer Erfahrung war es sinnvoll, mit der V8-Architektur fortzufahren.“
Der LMC55R ist eine Neuentwicklung, die das Rad nicht neu erfindet, sondern im Wesentlichen auf dem DPi-Motor basiert. Auch hier stand die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. „Wir bereuen nichts, zumal wir auch in der WEC antreten werden. Ich denke, wir werden Amerika mit unserem Auto stark und kraftvoll vertreten. Darauf sind wir stolz.“
Warum Acura gegen den Strom schwimmt
Die große Ausnahme ist, wie erwähnt, Acura. Auch Honda Performance Development (HPD) machte sich den Effizienzgedanken zunutze, allerdings auf andere Weise: Die Entwicklung des LMDh-Motors wurde mit dem IndyCar-Aggregat kombiniert.
Inzwischen hat IndyCar die 2,4-Liter-Motoren eingestellt und bleibt vorerst bei den bestehenden 2,2-Liter-Aggregaten. Aber immerhin hat HPD Entwicklungskosten nicht ganz vermieden: Im Acura ARX-06 kommt ein auf fünfstellige Drehzahlen ausgelegter V6-Turbomotor zum Einsatz.
Aber warum wurde auf ein neues Konzept umgestellt? Mit dem AR35TT hatte HPD einen Motor, der in seinen Grundeigenschaften [als HR28TT] geht von 2011. „Es wäre einfach gewesen, die DPi-Engine zu nehmen und sie in unser LMDh zu stecken. Aber so machen wir das nicht“, sagt HPD-Präsident David Salters.
Als die Motorenentscheidung Anfang 2021 fiel (laut Salters am 2. Januar!), konnte HPD natürlich noch nicht ahnen, dass der IndyCar-Motor abgekündigt würde. Doch zum Zeitpunkt der Entscheidung war die Entwicklung so weit fortgeschritten, dass der „point of no return“ längst überschritten war.
„Wir sind in mehreren Rennserien engagiert. Es wäre doof, wenn wir dort keine Synergien schaffen. Wir sind vielleicht verrückt, aber nicht so verrückt. Es gibt Ähnlichkeiten [die Projekte] auseinander, weil sich das Einsatzgebiet ändert. HPD gibt es seit 30 Jahren. Natürlich ist viel Wissen in die Entwicklung geflossen.”
„Manche Dinge müssen [für das jeweilige Projekt] speziell gestaltet sein. Schließlich ist ein 24-Stunden-Rennen wie fünf Grand Prix hintereinander. Unsere Aufgabe war es, den bestmöglichen Motor für unsere Motorsport-Zukunft zu bauen.“
Dokumentarfilm über die Entwicklung des Acura ARX-06
Die Entwicklung hatte auch einen emotionalen Aspekt: „Das könnte der letzte Verbrennungsmotor sein, den wir für den Motorsport entwickeln. Ich weiß es nicht Beim letzten Mal fangen wir bei einem leeren Blatt an.’ Also wollten wir alles, was wir in unserer Geschichte gelernt haben, in dieses Produkt einfließen lassen.”
„Wir sind ein großes Risiko eingegangen“, gibt er zu. „Wir haben unseren Jungs und Mädels bei der Verpackung völlige Freiheit gelassen. Wir haben die bestmögliche Verpackung für unsere Maschine gefunden und sind sehr stolz darauf.“ Die relativ kleine Maschine musste an die Infrastruktur angepasst werden, die auch größere Maschinen aufnehmen kann.
Bleiben noch Lamborghini und Alpine, die 2024 auf den Markt kommen. Während sich Lamborghini kürzlich ebenfalls für einen V8-Turbo entschieden hat, hat Alpine das Motorproblem noch nicht kommuniziert – und noch nichts veröffentlicht. Der LMDh-Bolide soll am 6. Februar vorgestellt werden.
Urs Kuratle war am Ende der Medienrunde übrigens erstaunt: «Es ist sehr interessant zu hören, dass wir alle intern dieselben Fragen diskutiert haben. Aber wir sind zu ganz unterschiedlichen Lösungen gekommen. Warum haben wir alle so unterschiedliche Antworten gefunden? Wir sollten.» rede auf jeden Fall weiter darüber!“