Jahresrückblick 2022: Kamila Walijewa – Doping-Drama um Jahrhunderttalent

Stand: 25.12.2022 09:34 Uhr

Eiskunstläuferin Kamila Valiyeva reiste als russischer Superstar zu den Olympischen Spielen nach Peking. Für den damals 15-Jährigen endete der Medaillentraum jedoch tragisch. Jahresrückblick auf die Sportschau.

Wenn eine 12-Jährige das Eis betritt und ihre ersten kraftvollen, aber anmutigen Schritte macht, schweigt sie, während sie für eine Eisgala in Ingolstadt trainiert. Es ist 2018, Kamila Valiyeva ist auf dem Eis.

Viele werden zu diesem Zeitpunkt denken, mich eingeschlossen: Ein weiterer russischer Junge mit viel Talent, der bald in der Mehrheit der jungen Leute dieser Eiskunstlauf-Supermacht verloren sein wird.

Kamila Valiyeva – ein Juwel auf dem Eis

In meiner Stadt Ingolstadt hat die „Eisgala“ eine über 30-jährige Geschichte und die begeisterten Zuschauer haben schon die besten Schlittschuhläufer der Welt gesehen. Auch diesmal bekamen wir den üblichen Anruf von einer Eiskunstläuferin aus Russland.

Ich erinnere mich noch genau an seine Worte: „Danny, ich habe ein großes Talent für deine Show. Vertrau mir. So etwas hast du noch nie gesehen.“ Diese Worte hatte ich schon oft gehört, aber während des Ausstellungsrundgangs, in Ingolstadt und später in Chemnitz, Regensburg und Oberstdorf, wurde mir klar, was für ein Juwel auf dem Eis liegt.

Valiewa fasziniert mit Ausdruck und Eleganz

In diesen vier Aufführungen überraschte Kamila Valiewa das Publikum mit Reife, Ausdruck und Eleganz, die man von einer so jungen Athletin nicht erwarten konnte. Ihr Programm war voll von Dreifachsprüngen bei extrem schwierigen Bedingungen mit grellen Scheinwerfern und kleineren Eisflächen. Drei Shows, kein Fehler oder Zug, und dann fiel sie beim letzten Turnier in Oberstdorf auf den dreifachen Lutz.

Nach Kamilas Auftritt wollte ich auf dem Eis stehend den nächsten Skater ankündigen, aber Kamila wollte nicht vom Eis gehen. Sie sagte mir, dass sie noch einmal laufen wolle, um ihren Fehler zu korrigieren, und dass sie nicht enttäuscht werden würde. Unter tosendem Applaus führte sie dann einen perfekten dreifachen Lutz auf.

Auch Lesen :  Borussia Dortmund schlägt VfL Bochum - Rekord für Yousoufa Moukoko

Talent des Jahrhunderts in Russland

Vor vier Jahren. Peking, Olympische Spiele 2022. Ich sitze in meiner Reporterkabine in Mainz und berichte vom Eiskunstlauf-Mannschaftswettbewerb. Da ist sie wieder: Kamila Valiewa. Mittlerweile kennt sie jeder in der Eiskunstlaufszene.

Valiewa bei den Winterspielen in Peking

In Russland ist sie bereits ein Star, und jetzt wird die Welt sie sehen. Sie läuft einen Punkterekord nach dem anderen. Mit 15 war sie bereits Grand-Prix-Siegerin, russische Meisterin und Europameisterin. Das Gesicht der russischen Propaganda für die Winterspiele. Jetzt unterstützt von den höchsten Regierungsebenen. Putins Sprecher Peskow ist mit einem ehemaligen Eiskunstlauf-Weltmeister verheiratet. Sie helfen sich gegenseitig.

Kamila zieht ein Millionenpublikum an. Sie gewinnt das Kurzprogramm und die Kür und holt für das „Russische Olympische Komitee“ Mannschaftseinzelgold vor den USA und China. Märchen, Teil eins, dachte ich mir damals.

Verbotene Gegenstände zum Frühstück

Bereits am frühen Morgen des nächsten Tages tauchten die ersten Gerüchte auf, und der Name – Kamila Valiewa – war schnell bekannt. Ich bin wirklich geschockt und will es nicht glauben. Dieses junge Mädchen soll von ihrer alleinerziehenden Mutter gedopt worden sein?

Die Fakten liegen schnell auf dem Tisch. Bei einem Dopingtest am 25. Dezember wurden verschiedene Medikamente in Kamilas Blut gefunden, darunter das verbotene Herzmedikament Trimetazidin.

Ich telefoniere mit einem Freund aus Russland, der einen guten Draht zum russischen Eiskunstlauf hat. Er erzählt mir von Trainingslagern der letzten Jahre, wo zum Frühstück „Vitaminpillen“ verteilt wurden. “Junge Sportler nehmen es ohne zu fragen” sagt mir mein Skateboard-Freund.

Auch Lesen :  Jungfrau Zeitung - Wenn sich Nachbarn in Wissenschaft und Innovation treffen

Harter Wettbewerb in Russland

Ich bin enttäuscht, aber ich bin immer noch davon überzeugt, dass Kamila Valiyeva diese Gelder ohne ihr Wissen erhalten hat. Ihr Trainer Eteri Tudberize ist bekannt für seine harte Hand. Die Konkurrenz unter den Top-Trainern in Russland ist groß, die Lager sind Todfeinde.

Während der Olympischen Spiele sind sich unsere ARD-Expertin Katarina Witt und ich einig, dass Kinder bei Olympischen Spielen nichts zu suchen haben. Mit 15 darf man zwar offiziell an den Spielen teilnehmen, aber meiner Meinung nach ist es noch viel zu früh für die psychische Entwicklung eines so jungen Sportlers.

Zunächst einmal sind die Körper der jungen Skater noch nicht voll entwickelt, nur so kommen sie mit der sinnlos schnellen Rotation bei den Vierfachsprüngen zurecht. Also haben Katarina und ich darum gebeten, dass das Mindestalter auf 18 Jahre angehoben wird. Angesichts der Hunderte von Talenten, die es in Russland gibt, war die Empörung über diesen Vorschlag groß.

Ein 15-Jähriger – unter Druck gebrochen

Nach einem globalen medialen Spießrutenlauf durfte Kamila am 17. Februar 2022 am Freestyle-Finale teilnehmen. Sie brach unter dem Druck dieser unerträglichen Situation zusammen, machte viele Fehler, stürzte und wurde Das Schlimmste an dieser Geschichte ist, dass ihr Trainer, Eteri Tudberidze, hatte nicht einmal den Mut, sie am Ende tröstend zu umarmen. Freestyle, denn genau das hätte sie zu diesem Zeitpunkt gebraucht. Was sich alle Kinder wünschen, wenn es ihnen nicht gut geht: eine schützende Hand.

Valiewa im Finale der Kür

Ich habe es meiner Meinung nach vor ziemlich genau zehn Monaten gesagt, und auch jetzt fallen mir sofort diese Worte ein: “Wenn ich ihr Vater wäre, hätte ich sie schon vor langer Zeit mit nach Hause genommen.”

Doping ist immer der falsche Ansatz, aber in diesem Fall muss meiner Meinung nach geklärt werden, wer ihr diese leistungssteigernden Medikamente gegeben hat. Niemand glaubt an das Märchen vom Großvater, der Kamila aus einem Glas getrunken haben soll.

Auch Lesen :  Noch mehr Reis-Fußball: So will Knäbel Schalke retten! | Sport

Eine Altersgrenze wurde sofort aufgehoben

In Bezug auf die Altersnorm wurde in der Geschichte des Eiskunstlaufs noch keine Regeländerung so schnell umgesetzt wie diese. Auf der Konferenz des internationalen Verbandes in diesem Sommer sprach sich eine breite Mehrheit dafür aus, das Mindestalter für die Teilnahme an Olympischen Spielen auf 17 Jahre anzuheben. 18 Jahre wären vernünftiger gewesen, aber es war ein sehr wichtiger Schritt zum Schutz dieser jungen Menschen.

Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde Valievas Drogenfall in Russland absichtlich hinausgezögert und er wurde festgenommen. Nun ist Bewegung in die Sache gekommen: Auf Antrag der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) übernahm der Schiedsgerichtshof für Sport (CAS) den Fall und zog den Co-Closed aus der russischen Anti-Doping-Agentur heraus.

Die Sperre gegen Russlands Anti-Doping-Agentur RUSADA wegen russischen Staatsdopings läuft am Samstag aus. Ein Ende der Bearbeitung ist nicht in Sicht.

Die WADA ist von einem Dopingverstoß überzeugt und hat beim CAS eine vierjährige Sperre für den inzwischen 16-Jährigen beantragt. Zudem sollen alle Medaillen, Punkte und Auszeichnungen ab dem 25. Dezember 2021 entzogen werden.

Für Kamila Valiewa würde das das Ende ihrer Karriere bedeuten, von den psychischen Schäden ganz zu schweigen. Aber das Schlimmste ist: Die wahren Macher stehen noch auf den Eisbahnen in Russland und haben bereits das nächste „Jahrhunderttalent“ im Visier.

Source

Leave a Reply

Your email address will not be published.

In Verbindung stehende Artikel

Back to top button